Pünktlich zum Ende der vom EU-Gesetzgeber gesetzten Umsetzungsfrist ist am 21. März 2016 das „Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften vom 11. März 2016“ (BGBl. I 2016 S. 396ff.) in Kraft getreten. Das Gesetz setzt die europäische Richtlinie 2014/14/EU (EU-ABl. L 60/34 ff. vom 28.02.2014) in deutsches Recht um und nutzt gleichzeitig die Gelegenheit, einige gesetzliche Neuerungen auf nationaler Ebene einzuführen. Der Name deutet es an: Die Mehrzahl der Änderungen ergeben sich bei den Immobiliardarlehen, und zwar sowohl in Bezug auf deren Vergabe an Verbraucher als auch – ganz im Spiegel der aktuellen Compliance-Diskussion – im Bereich der Dokumentation. Damit berührt die Novelle Zivilrecht und Aufsichtsrecht gleichermaßen. Neben den Juristen sind die IT- und Organisationsabteilungen der Kreditinstitute stark in die Umsetzung eingebunden. Das Gesetz ist (wieder einmal) ein Mammutwerk.

 

Die zivilrechtlichen Änderungen ändern den Prozess der Kreditvergabe „von der Wiege bis zur Bahre“, und das Aufsichtsrecht spiegelt diese Anforderungen im neu eingeführten § 18a KWG.

 

 

  1. Betroffene Segmente

 

Bei Verbraucherdarlehen unterscheidet das Gesetz nunmehr deutlich zwischen Allgemein-Verbraucherdarlehen und Immobiliar-Verbraucherdarlehen. Für beide Darlehenstypen gelten zunächst die §§ 491 ff. BGB.

 

Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge sind nun in § 491 Abs. 3 BGB definiert. Der Anwendungsbereich wurde gegenüber dem gleichzeitig abgeschafften Begriff des Immobiliardarlehens (§ 503 BGB a.F.) erweitert. Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge sind entgeltliche Verträge, die durch ein Grundpfandrecht oder eine Reallast besichert sind oder für den Erwerb oder die Erhaltung des Eigentumsrechts an Grundstücken, Gebäuden oder grundstücksgleichen Rechten bestimmt sind. Es kommt also – anders als früher – nicht mehr ausschließlich darauf an, ob ein Darlehen grundpfandrechtlich besichert ist; auch der mit der Kreditaufnahme verfolgte Verwendungszweck – Erwerb oder Erhalt von Grundstückseigentum oder grundstücksgleichen Rechten – eröffnet bereits den Anwendungsbereich.

 

 

  1. Die Vertragsanbahnung: Werbung und (vorvertragliche) Verbraucherinformation

 

Die Mindestangaben bei Werbung für beide Typen von Verbraucherdarlehen sind nun strenger. Sie müssen redlich und nicht irreführend sein, die effektiven Jahreszinsangaben (die neuen finanzmathematischen Rahmenbedingungen unterliegen, vgl. Artikel 247 § 6 Anlage 5 EGBGB) deutlicher und unter Berücksichtigung der einzelnen Kostenanteile herausstellen und die späteren Vertragsdetails insbesondere von Immobiliar-Verbraucherdarlehen bereits im Kern enthalten (§§ 6, 6a PreisangabenVO). Auch die neuen gesetzlichen Vorschriften zu Beratungsleistungen im Zusammenhang mit Immobiliar-Verbraucherdarlehen (§ 511 BGB) werden sich u.U. auf die werbliche Gestaltung dieser Kreditprodukte auswirken.

 

Das zuletzt noch verwendete gesetzlichen Muster zur Erteilung vorvertraglicher Informationen zu einem Immobiliardarlehensvertrag (VVI) wird nun ersetzt durch das sog. ESIS-Merkblatt (vgl. Anlage 6 zu Artikel 247 § 1 Abs. 2 EGBGB mit umfangreichen Erläuterungen). Vor Vertragsschluss muss nun insbesondere dem Immobiliar-Kreditnehmer mitgeteilt werden, welche Informationen er zur Durchführung der Bonitätsprüfung vorlegen muss. Auch informiert das Merkblatt den Darlehensnehmer u.a. darüber, ob für die Eintragung der Hypothek bzw. Grundschuld eine Gebühr fällig wird (Gebühr, sofern bekannt, oder Grundlage für die Berechnung). Ferner ist ein Vertragsentwurf zur Verfügung zu stellen.

 

Bei den vertraglichen Angaben ist nun u.a. zu beachten, dass gemäß § 494 Abs. 6 S. 2 BGB Sicherheiten nicht gefordert werden können, wenn Angaben zu Sicherheiten im Kreditvertrag fehlen; dies gilt nicht bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen, wenn der Nettodarlehensbetrag 75.000 Euro übersteigt (vgl. nun auch § 13 Abs. 2 AGB-Banken n.F.). Fehlen Angaben zum Umwandlungsrecht bei Immobiliar-Verbraucherdarlehen in eine Fremdwährung, so kann das Umwandlungsrecht jederzeit ausgeübt werden. Die Anforderungen für Allgemein-Verbraucherdarlehen wurden hingegen ein wenig abgespeckt.

 

 

  1. Die Konkretisierung des Interesses: Bonitätsprüfung und Objektbewertung

 

Vollständig neu sind die besonderen Pflichten zur Kreditwürdigkeitsprüfung bei Verbraucherdarlehensverträgen. Gemäß § 505a Abs. 1 BGB hat der Darlehensgeber vor dem Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags die Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers zu prüfen. Der Darlehensgeber darf den Verbraucherdarlehensvertrag nur abschließen, wenn aus der Kreditwürdigkeitsprüfung hervorgeht, dass bei einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag keine erheblichen Zweifel daran bestehen, und dass es bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag wahrscheinlich ist, dass der Darlehensnehmer seinen Verpflichtungen, die im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag stehen, vertragsgemäß nachkommen wird.

 

Die Neuregelung zeigt, dass sich das Verbraucherleitbild gedreht hat: Die Bonitätsprüfung erfolgt nicht mehr ausschließlich im öffentlichen Interesse und auf der Grundlage aufsichtsrechtlicher Regelungen (vgl. aber dennoch § 18a KWG); vielmehr werden die §§ 505a ff. BGB nun zusätzlich als zivilrechtliche Schutzpflichten gegenüber dem Verbraucher zu verstehen sein. So kann bei Pflichtverletzungen im Rahmen der Bonitätsprüfung dem Kreditinstitut eine Zinssatzsenkung auf das bankseitige Refinanzierungsniveau drohen (§ 505d Abs. 1 Satz 1 BGB) oder der Kunde gar kündigen, ohne dass er eine Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen hätte (§ 505d Abs. 1 Satz 3 BGB). Da die Beweislast ordnungsgemäßer Kreditprüfung bei der Bank liegt (§ 505d Abs. 1 Satz 5 BGB; davor bereits EuGH BKR 2015, 281ff.), müssen sich Kreditinstitute wappnen, um eine ordnungsgemäß durchgeführte Bonitätsprüfung nachweisen zu können.

 

Bei Immobiliar-Darlehen an Verbraucher muss die Bonitätsprüfung von sachkundigen Mitarbeitern durchgeführt werden (§ 18a Abs. 6 KWG). Die Qualifikationsanforderungen an das eingeschaltete Personal konkretisiert die am 3. Mai 2016 in Kraft getretene „Verordnung über die Anforderung an die Sachkunde der mit der Vergabe von Immobiliar-Verbraucherdarlehen befassten internen und externen Mitarbeiter“ der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht mit dem sperrigen Namen „Immobiliar-Darlehensvergabe-Sachkunde-Verordnung“ (ImmoDarlSAchkV) vom 25. April 2016 (BGBl. I 2016, S. 972f.). Die Verordnung regelt neben der erforderlichen Sachkunde die zu deren Nachweis erforderliche Berufsqualifikation.

 

Ferner enthält das Gesetz neue Anforderungen an die Sicherheitenbewertung bei Immobilien. Gutachter müssen kompetent und Bewertungen müssen objektiv sein (§ 505c BGB, § 18a Abs. 7 KWG).

 

Ohne positives Ergebnis einer Kreditwürdigkeitsprüfung dürfen Darlehen egal welchen Typs aus aufsichtsrechtlicher Sicht nicht vergeben werden (Kreditvergabeverbot!), wobei die Anforderungen für Immobiliar-Verbraucherdarlehen höher sind. Neben einer höheren Rückzahlungswahrscheinlichkeit (§ 18a Abs. 1 Satz 2 KWG, der für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge „keine erheblichen Zweifel“ an der Bonität voraussetzt und bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen fordert, die Rückzahlung müsse „wahrscheinlich“ sein) muss ein Kreditinstitut auf eine breitere Datenbasis zur Validierung der Ergebnisse zurückgreifen. Der alleinige Rückgriff auf den Beleihungswert ist nicht ausreichend; vielmehr sind auch persönliche Umstände des Darlehensnehmers „einzupreisen“ (§ 18a Abs. 4 KWG). Das Verfahren und die Angaben, auf das sich die Kreditwürdigkeitsprüfung stützt, sind – wie heutzutage im Aufsichtsrecht üblich – prüferisch nachvollziehbar zu dokumentieren (vgl. § 18a Abs. 5 KWG). Dies erscheint jedoch angesichts der dem Kreditinstitut aufgebürdeten Beweislast (vgl. § 505d Abs. 1 Satz 5 BGB) konsequent. Ähnliche Dokumentationspflichten gelten u.a. für die Beleihungswertermittlung (§ 18a Abs. 7 KWG).

 

 

  1. Der Weg zum Vertragsschluss: Beratung und Kopplungsgeschäfte

 

Beratungspflichten für Immobiliar-Darlehen sind nun erstmals für (optionale) Beratungsleistungen kodifiziert. Beratungsleistungen liegen vor, wenn der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer individuelle Empfehlungen zu einem oder mehreren Geschäften erteilt, die im Zusammenhang mit einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag stehen. Berater müssen dann über die Angebotspalette und Entgelte informieren. Ähnlich wie in der Anlageberatung im Wertpapierhandelsrecht treffen die Berater Explorationspflichten zu persönlichen Umständen, finanziellem Hintergrund und Bedürfnissen und Zielen der Kreditantragsteller, woraus sie „geeignete Empfehlungen“ abzuleiten haben (§ 511 BGB). Die vom Verbraucher erfragten Informationen sind „während der Laufzeit des Darlehensvertrages“ zugrunde zu legen (§ 18a Abs. 8 KWG). Dass ein erhöhter Dokumentationsaufwand auf Seiten des Instituts erforderlich ist, um im Streitfall die Beratung des Verbrauchers anhand der gesetzlichen Vorgaben nachweisen zu können, liegt auch hier auf der Hand.

 

Flankierend fordert die Institutsvergütungsverordnung (InstVergV) nun, dass Vertriebsanreize dem „besten Interesse des Verbrauchers“ nicht zuwiderlaufen.

 

Weitere Finanzprodukte und –dienstleistungen dürfen nur noch an die Darlehensvergabe gekoppelt werden, wenn diese in unmittelbarem Zusammenhang mit der Durchführung und Abwicklung des Darlehensvertrages stehen (§§ 492a f. BGB). Unter den Voraussetzungen des § 492b BGB zulässig bleiben in gewissem Umfang Sparkonten, Anlage-/Rentenprodukte zur Einkommensabsicherung im Alter oder bei Zahlungsausfall, sog. Darlehensverträge mit Wertbeteiligung oder Versicherungsprodukte. Verstöße führen zur Vertragsnichtigkeit der gekoppelten Geschäfte, nicht jedoch des Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrages (§ 492a Abs. 2 BGB).

 

 

  1. Das Bestandsgeschäft

 

Auch Darlehensnehmer von Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen sind nun berechtigt, das Darlehen jederzeit zurückzuzahlen, ohne die bisherige dreimonatige Kündigungsfrist noch beachten zu müssen (§ 500 Abs. 2 Satz 2 BGB). Die Voraussetzungen der vorzeitigen Rückzahlung – Vorfälligkeitsentschädigung und berechtigtes Interesse des Darlehensnehmers – bleiben unverändert bestehen. Neu ist, dass der Darlehensnehmer einen Auskunftsanspruch über die Zulässigkeit einer vorzeitigen Rückzahlung, der hierfür ausstehenden Restvaluta und einer etwaigen Vorfälligkeitsentschädigung hat. Die Voraussetzungen und die Berechnungsmethode sind nun auch in den Vertragsunterlagen anzugeben. Ohne eine solche Angabe besteht kein Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung.

 

Über den Bereich der beiden genannten Darlehensgrundtypen hinaus hat der Gesetzgeber für dauerhafte und erhebliche Inanspruchnahmen von Überziehungskrediten und geduldeten Überziehungen, die gewisse Schwellenwerte überschreiten, eine spezielle Beratungspflicht eingeführt. Das Kreditinstitut ist nunmehr verpflichtet, dem Verbraucher ein Beratungsangebot zu unterbreiten und, sofern der Verbraucher dies annimmt, in einem persönlichen Gespräch kostengünstige Alternativen zu erörtern und derartige Beratungen zu dokumentieren (§ 504a BGB). Mittelbar wird damit eine aktive (regelmäßig IT-gestützte) Monitoring-Pflicht für die Kreditinstitute eingeführt, bei Schwellenwert-Überschreitungen den gesetzlich vorgesehenen Beratungsprozess zu initiieren.

 

 

  1. Widerrufsrechte

 

Zukünftig existieren für die beiden Verbraucherdarlehens-Grundtypen zwei gesetzliche Muster (einschließlich ihrer umfassenden und streitanfälligen Gestaltungshinweise) für die Unterrichtung des Verbrauchers über sein Widerrufsrecht: Das in Art. 247 Anlage 7 EGBGB hinterlegte Muster ist nur noch für Allgemein-Verbraucherdarlehen anzuwenden, während Art. 247 Anlage 8 EGBGB nunmehr ein separates Muster für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge zur Verwendung vorsieht.

 

Der Ausschluss des Widerrufsrechts für Umschuldungen und notariell zu beurkundende Darlehensverträge wird beibehalten (§ 495 Abs. 2 BGB). Für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge ist dem Darlehensnehmer nunmehr allerdings gemäß § 495 Abs. 3 BGB vor Vertragsschluss eine Bedenkzeit von mindestens sieben Tagen einzuräumen. Während des Fristlaufs ist der Darlehensgeber an sein Angebot gebunden, wobei die Bedenkzeit mit der Aushändigung des Vertragsangebots an den Kreditnehmer beginnt.

 

Das Widerrufsrecht (der sog. unbefristete „Widerrufsjoker“) entfällt nach dem Gesetz nun für Immobiliar-Darlehensverträge, die zwischen dem 1. September 2002 und 10. Juni 2010 abgeschlossen wurden, mit Ablauf des 21. Juni 2016 endgültig (Art. 229 § 38 Abs. 3 Satz 1 EGBGB). Ähnliches gilt mit gewissen Einschränkungen für in Haustürsituationen abgeschlossene Immobiliar-Darlehensverträge (Art. 229 § 38 Abs. 3 Satz 2 EGBGB).

 

Widerrufsrechte bei nach dem 21. März 2016 neu abgeschlossenen Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen erlöschen zukünftig in der Regel spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss (§ 356b Abs. 2 Satz 4 BGB). Für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge hat der Gesetzgeber hingegen eine derartige absolute Befristung nicht eingeführt.

 

 

  1. Fazit

 

Es gab in den vergangenen Jahren wenig gesetzgeberische Werke, die so tiefgreifend in die Kreditvergabeprozesse von Banken und Sparkassen eingegriffen haben, wie dies jetzt durch die Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie geschieht. Obwohl der Konsultationsprozess von interessierter Seite und auch im europäischen Kontext intensiv war, hat dies den Umfang der Umsetzungsleitfäden nicht verschlanken können. Täglich tauchen neue Herausforderungen auf, mit denen umzugehen ist, wie z.B. – um nur ein Exempel herauszugreifen – die Frage, wie die Bonitätsprüfung für Gemeinschaften, GbR’s, Eheleute oder nichteheliche Lebensgemeinschaften durchzuführen und zu bewerten ist, oder ob und ggf. unter welchen Umständen zukünftige Einkommensentwicklungen zu berücksichtigen sind. Jungen hausbauwilligen Paaren bleibt zu wünschen, dass sie die Kriterien erfüllen, die ihr bevorzugtes Kreditinstitut an eine erfolgreiche Kreditvergabe stellt.